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Fall 211

Keine Magie

Eines Nachts wurde die Nonne Hwidah von Meister Bawan in den zentralen Kommando-Hof gerufen.

“Es gibt ein seltsames Verhalten auf unserer ‘Adresse Ändern’ Seite.” sagte Bawan. “Der Nutzer füllt das Formular aus und klickt ‘Speichern’. Kein Fehler wird gemeldet. Kein Fehler wird geloggt. Der Nutzer landet wie erwartet auf seiner Profilseite. Doch diese zeigt manchmal die alte Adresse anstelle der Neuen.”

“Vermutlich eine verschluckte Ausnahmebedingung.” sagte Hwidah, die sich wünschte, woanders zu sein.

“Es gibt noch mehr.” sagte der Meister kopfschüttelnd. “Wenn man das Nutzerprofil wiederholt neu lädt, wird es manchmal die alte und ein andermal die neue Adresse anzeigen. Und das ohne erkennbares Muster.”

“Ein Problem mit den Caches.” schlug die Nonne vor.

“Es gibt noch mehr.” sagte der Meister. “Nach mehreren Minuten wird nur noch eine der beiden Adressen angezeigt werden. Doch abermals ist es manchmal die Alte und manchmal die Neue.”

“Ich weiß nicht,” seufzte Hwidah. “Ein Fluch vielleicht oder ein böser Geist?”

Bawan gab ihr eine Ohrfeige. “Ich habe keine Geduld für Aberglaube, Nonne!” sprach er und wandte sich zum Gehen. “Es gibt keine Magie. Und die einzigen bösen Geister in diesem Raum sind jene, die Du morgen zu spüren bekommst, wenn ich feststellen sollte, dass Banzens erwählte Schülerin nicht verlässlich ist.”

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Die Nonne rief die vermaledeite Seite auf, und fand alles wie vom Meister beschrieben vor.

“Sehr seltsam,” sagte Hwidah zum Bildschirm. “Dein Gesicht sagt einmal dies, einmal das. Doch ich frage mich, was in Deinem Herzen ist?”

Die Nonne meldete sich in der Datenbank an, und beobachtete den Eintrag, wenn immer sie ihn änderte. Doch was sie fand, ergab noch weniger Sinn: Denn sowohl der Bildschirm zufällig die alte oder neue Adresse anzeigte, wurde in der Datenbank stets die alte Adresse geführt. Doch nach ein paar Minuten würde die Datenbank und die Seite gleichermaßen nur noch die alte oder neue Adresse zeigen.

“Es gibt keine Magie” wiederholte Hwidah. “Jedes Verhalten, wie seltsam auch immer, hat eine vernünftige Erklärung.”

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“...Doch ich habe keine Ahnung was diese Erklärung ist.” beklagte Hwidah zu Yiwen. “Mein einziger Verdacht ist, dass die Transaktion nicht korrekt vollendet wird, weshalb auch die Änderungen von einer anderen Datenbanksitzung aus nicht zu sehen sind.”

“Bitte tausendmal um Verzeihung” gähnte Yiwen, die noch im Bett lag und Hwidahs Laterne anblinzelte. “Doch mein einziger Verdacht ist, dass ich vor Kurzem noch schlief, denn es ist kurz nach ein Uhr Nachts. Kannst Du niemand anderen konsultieren?”

“Der Hof ist so leer wie mein Kopf” sagte Hwidah. “Hilf mir zu denken! Der Controller ruft eine Service-Methode auf, die Adresse zu speichern. Die Methode ist als transaktional gekennzeichnet. Die Methode wird aufgerufen, doch Chaos folgt. Warum?”

“Ich weiß nichts über Transaktions-Management” sagte Yiwen, die ihre Augen schloss und sich aufs Kissen plumpsen ließ. “Ich weiß nur, wohin ich die Annotationen schreiben muss. Der Rest ist Magie.”

“Es gibt keine Magie,” sagte Hwidah abwesend. Dann schoss sie wie ein Blitz zur Tür hinaus, und sprintete auf den Hof.

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“Wann vollendet eine Service-Methode eine Transaktion?” fragte Hwidah mit einem breiten Grinsen.

“Um Halb Fünf am Morgen?” fragte Meister Bawan launisch zurück, denn dies war in der Tat die aktuelle Zeit.

“/Gar nicht/” sagte die Nonne. “Das Proxy-Objekt, welches das Service-Objekt dekoriert, tut es. Nun wann erledigt das Proxy-Objekt diese Aufgabe nicht?”

“Das ist noch eine Fangfrage, nicht wahr?” fragte Bawan.

“Wenn es nicht benutzt wird!” sagte Hwidah triumphierend. “Ein Fehler in der Applikationskonfiguration führte dazu, dass der Controller das Service-Objekt statt dem Proxy-Objekt injiziert bekam.”

“Interessant” sprach Bawan. “Was ist mit der Seite, die mal die alten, mal die neuen Daten zeigte?”

“Weil es keine Transaktion gab,” sagte Hwidah “wurde die Datenbank ohne Transaktion geändert, auf einer aus dem Pool geborgten Verbindung. Wenn die Seite diese Verbindung aus dem Pool bekam, sah man die neue, sonst die alte Adresse.”

“Faszinierend” sagte der Meister. “Und dieses Verhalten hörte nach einer Weile auf, weil...?”

“Wenn diese Verbindung für eine andere Transaktion in der Applikation verwendet wird, wird diese entweder vollendet oder zurückgerollt.” sagte Hwidah. “Und wenn die Verbindung zu lange ungenutzt bleibt wird sie zurück gerollt und geschlossen.”

“Exzellent.” sagte der Meister. “Keine Bösen Geister also. Keine Magie. Nun geh, schlaf Dich aus.”

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Hwidah kroch in ihr Bett, vorsichtig, nicht Yiwen zu wecken. Doch der Schlaf kam nicht leicht zu ihr. Stattdessen lag sie mit verschränkten Armen da und starrte in die Dunkelheit.

Was ist Magie, fragte sie sich, wenn nicht das Erreichen von Dingen mit versteckten Mitteln? Ist ein Meister der Taschenspieler-Tricks etwa weniger Magier als der Bezwinger der Geister? Ist es nicht vielleicht befriedigender, hinter den Vorhang zu blicken, und das verworrene Spiel hinter der Fassade zu verstehen und zu erkennen, dass dieses Wissen wahre Macht verleiht?

Hwidah bedachte dies noch, als sie zuletzt in einen tiefen Schlummer fiel, ungestört vom Erwachen des Tempels, der vielen Ticks und Tacks der hochfahrenden Maschinen; Wasser in den Rohren, Schritten in den Hallen, Gongs die zum Frühstück oder zur Meditation klangen, oder zum Beginn eines neuen Tages, wie jeden anderen Tag auch, an diesem Ort der Wunder.